Der moderne Steinguss als künstlerische Technik

Der moderne Steinguss als künstlerische Technik

14.12.2011 um 18:45 Uhr
Emersacker
abgelegt unter Steinguss

Einführung

kleiner_akt_2_400x171 (24K)Angelika Kienberger, Kleiner Akt 2, Steinguss

„Steinguss“ bedeutet zunächst einmal nur, dass Zuschlagsstoffe mit Bindemittel und Wasser vermischt in eine Hohlform gefüllt werden und so nach dem Entformen eine plastische Arbeit aus künstlichem Stein entsteht. Dementsprechend vielgestaltig sind die Materialien, welche mit dem Begriff „Steinguss“ bezeichnet werden. So werden z. B. die großen, vollrunden Figuren des Mittelalters, welche höchst wahrscheinlich in einer Art Stucktechnik aus Marmormehl und Kalk hergestellt wurden, als Steinguss bezeichnet.

In diesem Artikel sollen vor allem die praktischen Aspekte des modernen Steingusses behandelt werden, welcher als Bindemittel Zement benutzt. Die Begriffe Steinguss, Betonguss, Zementguss oder Kunststein werden in diesem Artikel synonym verwendet. Der für den modernen Steinguss benötigte Zement wurde erst 1835 wiederentdeckt, seit etwa 1910 gibt es künstlerische Arbeiten in dieser Technik, z. B. von Wilhelm Lehmbruck, Bernhard Heiliger, Toni Stadler, Hans (Jean) Arp, Claes Oldenburg.

Auf Grund des Vorurteils, Betongüsse müßten grau und unansehnlich aussehen, war diese Technik lange Zeit verpönt. Dieses Vorurteil ist jedoch unbegründet. Durch die Verwendung von farbigen Sanden, speziellen Zementsorten und Pigmenten lassen sich sehr ansprechende Kunstgüsse herstellen. Auch das Argument des hohen Gewichts von Steingüssen ist nicht sehr stichhaltig, da viele Arbeiten auch sehr gut als Hohlguss ausgeführt werden können, insbesondere da ein Hohlguss bei richtiger Verarbeitung einem Vollguss an Druckfestigkeit sogar überlegen ist, ja sogar den meisten natürlichen Steinen ( Aufnahme von Zugkräften durch Metall-Armierung!). Ein weiteres großes Plus stellt für den Plastiker die Möglichkeit dar, relativ große Arbeiten preisgünstig selbst realisieren zu können.

Technik

Material

Der moderne Steinguss besteht aus Zement, Wasser und Zuschlagsstoffen, bei Bedarf können Zusatzstoffe (z. B. Fließmittel, Erstarrungsverzögerer) und Pigmente zugesetzt werden.

Zement

ist das hydraulische (wasserhärtende) Bindemittel des Betons. Je nach Zementsorte benötigt er 1 bis 7 Tage zum vollständigen Erhärten, während dieser Zeit muss der Steinguss mittels Plastikfolien zuverlässig vor Austrocknen geschützt werden, damit er seine volle Festigkeit erhält.
Zement gilt als reizend, daher sollte der direkte Kontakt mit Haut und Augen vermieden werden. Da er hygroskopisch ist, sollten angebrochene Säcke gut eingepackt und an einem trockenen Ort gelagert werden; trotz eventuell entstandener Klümpchen kann er noch verwendet werden, falls sich diese leicht zerdrücken lassen.
Die unterschiedlichen Zementsorten ergeben sich aus den Rohstoffen: in der Regel Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz. Abhängig von der geologischen Herkunft dieser Rohmaterialien variiert die Farbe des Zements, z. B. beim grauen Portlandzement von grüngrau bis rotbraun, Dyckerhoff ist ein Weißzement. Des weiteren kann man die Sorten nach der Dauer, welche bis zum Erreichen der vollständigen Härte (Reifung) benötigt wird, unterscheiden. Portlandzement, dazu gehört auch Dyckerhoff Weiß, benötigt 4 Stunden zum Erstarren, 1 Tag zum Erhärten und 7 Tage bis zum Reifen. Tonerdeschmelzzement (z. B. La Farge) ist ein in Deutschland nicht genormter Zement, dessen Erhärtung überwiegend durch die Hydratation von Calciumaluminaten erfolgt. Er wird als Bindemittel für Feuerbeton verwendet und ist ein Schnellzement, er braucht nur 1 Stunde zum Erstarren, fünf Stunden zum Härten und ein Tag zum Reifen.
Die Farbe des fertigen Betongusses ist in erster Linie abhängig von den mehlfeinen Bestandteilen des Sandes und der verwendeten Zementsorte. Die Helligkeit wiederum ist abhängig von der Menge des verwendeten Anmachwassers, viel Wasser ergibt einen helleren Ton.

Zuschlagstoffe

Als Zuschlagsstoffe verwendet man Sand und Kies unterschiedlicher Korngröße. Sie müssen sauber und trocken sein, ohne organische Verunreinigungen (z. B. Staub, Lehm, Ton, Humus, Kohle, Torf und Laub), da dies die Festigkeit herabsetzt.
Sand wird in verschiedener Körnung angeboten, er setzt sich zusammen aus dem Mehlkorn ( 0 - 0,125 mm), dem Feinstsand (0,125 - 0,25 mm) und gröberen Bestandteilen. Er wird in Korngruppen angeboten, die Bezeichnung gibt jeweils das Kleinst- und das Größtkorn an, z. B. Sand der Korngruppe (0/1) besteht aus 0 mm bis 1 mm Korn. Je nach Verteilung der Bestandteile innerhalb einer Korngruppe können die Eigenschaften des Sandes stark variieren. Ein sogenannter scharfer Sand enthält wenig Mehlkorn und Feinstkorn. Er klebt weniger gut zusammen und lässt sich schwieriger verarbeiten, dafür sind die Festigkeitseigenschaften besser. Ein fetter Sand hingegen mit mehr mehlfeinen und feinstkörnigen Bestandteilen lässt sich leichter verarbeiten und füllt Details besser aus.
Je nach Zusammensetzung der Zuschlagsstoffe ändert sich sowohl der Wasser- als auch der Zementbedarf: Beton mit feinkörnigen Zuschlagsstoffen benötigt mehr Zementleim (Wasser/Zementgemisch) als mit grobem Zuschlagsgemisch, auch sehr kantige,splittrige und rauhe Kornoberflächen erhöhen den Zementleimbedarf.
Für Kunstgüsse verwendet man normalerweise einen scharfen Quarzsand. Ziegelmehl (künstliches Puzzolan; hydraulischer Zusatz, der schon von den Römern verwendet wurde für hydraulischen Mörtel oder Beton) kann beigegeben werden für Rot-Brauntöne.

Wasser

Normalerweise verwendet man Leitungswasser, die Verwendung von demineralisiertem Wasser erhöht die Festigkeit. Viel Anmachwasser setzt die Festigkeit herab, dafür lässt sich der Beton leichter verarbeiten. Zu wenig darf allerdings auch nicht verwendet werden, da der Beton sich dann nicht mehr ausreichend verdichten lässt und somit ebenfalls die Festigkeit leidet. Der Wasserzementwert (w/z-Wert) sollte bei etwa 0,5 (0,5 kg Wasser zu 1 kg Zement) liegen und 0,6 nicht überschreiten.

Methode

Zunächst stellt sich die Frage, ob die Arbeit als Hohlguss oder Vollguss ausgeführt werden soll. Hohlgüsse sind sowohl in Bezug auf Festigkeit, als auch aus Gewichtsgründen einem Vollguss vorzuziehen, falls die Größe der Arbeit dies zuläßt.

Vorbereitung

Eine ein- oder mehrteilige Negativform, welche üblicherweise zuvor von einem Tonmodell abgenommen wurde, wird mit Beton verfüllt. Je nach Material der Negativform muß diese für den Guss unterschiedlich vorbereitet werden: Eine Negativform aus Gips muss gewässert (einige Stunden, bis der Gips gut durchfeuchtet ist, da sonst dem Gussmaterial das zum Härten benötigte Wasser entzogen wird) und isoliert (Tonschlick) werden. Eine Negativform aus Silikon hingegen muß lediglich mit einer konzentrierten Lösung von Schmierseife oder Geschirrspülmittel behandelt werden. Holz kann mit Mineralöl mit und ohne Zusätze, Wachs oder Schalungslack isoliert werden, Kunststoff mit Wachs, Schalungslack, Mineralöl mit Zusätzen, Stahl mit Mineralöl ohne Zusätze, chemische Trennmittel, Emulsion Öl in Wasser.
Zunächst wird nun eine Trockenmischung aus Zement und den Zuschlagsstoffen (Rezepte siehe unten) mit Hilfe einer Schaufel oder Kelle hergestellt, dabei ist auf gleichmäßige Durchmischung (sichtbar an der gleichmäßigen Farbe des Gemenges) zu achten, da dies entscheidend für die Qualität des Betons ist.

Der Guss

Der Betonguss ist normalerweise aus einer Fein- und Grobschicht aufgebaut.
Feinschicht: aus Zement und Wasser wird ein Zementleim von sahniger Konsistenz angerührt und mit einem Pinsel ca. 3-6 mm dick auf die einzelnen Formteile aufgetragen. Soll das Gussstück später im Freien aufgestellt werden,besteht der Zementleim aus einer Mischung von Zement und Feinsand im Verhältnis 1:1 und Wasser.
Grobschicht: Die Mischung ist abhängig von der Größe des Gussstücks, das Größtkorn sollte ein drittel der kleinsten Betonteildicke nicht überschreiten. Wird die Arbeit als Vollguss ausgeführt, werden die mit Zementleim ausgepinselten Formenteile nun zusammen gesetzt, mit Spanngurten, Schraubzwingen, Draht etc., fixiert und mit Beton verfüllt. Zwei Verfahren bieten sich hierfür an: Die Verwendung von „erdfeuchtem“ oder von „weichem“ Beton. „Erdfeuchter“ Beton läßt sich gerade noch mit der Hand ballen, „weicher“ Beton verflüssigt sich während des Stampfvorganges. Die gleichmäßig durchfeuchtete Grobmischung wird lagenweise ( ca. 3 cm) in die Form verfüllt und verdichtet (durch stampfen oder rütteln). Die Qualität des Betons (Festigkeit und exakte Abformung) hängt wesentlich von der sorgfältigen Verdichtung ab. Vollgüsse eignen sich nur für sehr kleine Arbeiten oder Reliefs.
Für einen Hohlguss werden die mit Zementleim ausgepinselten Formteile mit der Grobmischung verfüllt und verdichtet, dabei wird die Füllung am Rand in einem 45° Winkel nach innen abgeschrägt. Der Beton kann armiert werden, stark beanspruchte Teile müssen armiert werden (z. B. eine stehende Figur). Dazu wird Baustahl relativ dicht unter der Oberfläche, aber mindestens 1 cm mit Beton bedeckt, eingearbeitet. Nachdem die Stoßkanten der Negativform sorgfältig gesäubert wurden (wichtig für das spätere passgenaue Zusammensetzen), sollen die Formteile nun mit feuchten Lappen und Plastikfolien gut eingepackt werden und über Nacht erstarren. Bevor man am nächsten Tag die Teile Stück für Stück zusammengesetzten und fixieren kann, muß zunächst die Sinterschicht mit einer Drahtbürste entfernt werden. Sodann können die Formteile erst mit Zementleim und dann mit der Grobmischung verfugt werden. Die zusammengesetzte Form wird nun wiederum mit feuchten Tüchern und Folien vor dem Austrocknen geschützt.
Nach dem vollständigen Reifen des Betons, je nach Zementsorte frühestens nach 1 bis 7 Tagen, kann die Negativform entfernt werden. Besteht die Negativform aus Gips, wird dieser mit Klüpfel und Stemmeisen vorsichtig von den Nähten her abgeklopft, eine Negativform aus Silikon und anderen Materialien kann abgenommen werden.

Nachbearbeitung

Die Gussnähte müssen abgeschliffen werden. Löcher und Fehlstellen können ausgebessert werden, indem das Gussstück zunächst gut gewässert wird,dann Zementmörtel aus Feinsand oder Quarzmehl in Fehlstellen eingedrückt wird, bei mehr als 5 mm Tiefe mit Sand (0/4). Dabei sollte man die gewünschte Oberfläche modellieren, möglichst ohne weiteres Wasser zu verwenden, da dies die Helligkeit verändert (viel Wasser ergibt hellere Oberfläche), zum Farbangleich kann mit Zement gepudert werden. Danach packt man den Guss wiederum gut ein und läßt ihn nochmals zwei Tage reifen. Die abschließende Oberflächenbehandlung kann nun erfolgen, z. B. mit einer Betonlasur aus Kalkkaseinfarbe, einer Politur aus Bohnerwachs oder Leinölfirnis.

Armierungen

Baustahl, Eisen: Festsitzender Rost stört nicht, Öl, Fett und oder Rost müssen entfernt werden

Beständigkeit anderer Metalle im Beton

Aluminium: sollte mit Epoxidharz beschichtet werden, zur Vermeidung von Korrosion und Rissen
Blei: Bitumen- oder Kunststoffanstriche empfehlenswert zum Schutz des Bleis
Kupfer und Kupferlegierungen: im Beton gut beständig, sollte unisoliert nicht den Armierungsstahl berühren, da dieser als das „unedlere“ Metall elektrochemisch angegriffen werden kann.
Chrom- und Nickellegierungen, reines Zinn und Silber: gut beständig

Pigmente
test_pigmente (22K)Probegüsse mit variierenden
Pigment- und Zementzugaben

Zum dauerhaften und witterungsbeständigen Färben des Steinguss können diesem Pigmente zugesetzt werden. Man verwendet mineralische Pigmente, organische Farbzugaben sind im Beton nicht haltbar. Mengenmäßig gibt man der Trockenmischung 1-5 % vom Zementgewicht zu, über 5% Farbzugabe ist eine Farbintensivierung nicht mehr festzustellen. Pigmentgaben zu Grauzementmischungen ergeben gedecktere, dunklere Töne, zu Weißzementmischungen reinere und hellere Töne. Für Rot-, Gelb-, Braun- und Schwarztöne haben sich Eisenoxidpigmente bewährt, für Grüntöne Chromoxidgrün, für Blau Kobalt-Aluminium-Chromoxid oder Ultramarin, und für Weiß Titandioxid.

Abbildung, von oben nach unten: Englischrot, Eisenoxidrot dunkel, Ultramarinblau, Manganblau, Ocker, von links nach rechts: grauer Portlandzement mit 1% bzw 3% Pigmentzugabe, Dyckerhoff Weiß mit 0,1%, 0,2%,0,5%, 1% und 3% Pigmentzugabe, jeweils die untere Hälfte ist geölt.

Rezepte:

Mischungen mit groben Zusschlagsstoffen (nach Herman Leber):
  1. Für kleine Plastiken und Reliefs mit feinstrukturierten Oberflächen:
    • 1,2 oder mehr Raumteile Tonerdeschmelzzement
    • 2,0 Raumteile Quarzsand (0-3 mm)
    • 1,5 Raumteile Quarzkiesel (3-7 mm)
  2. Für lebensgroße Plastiken:
    • 1,2 - 1,5 Raumteile Portlandzement
    • 2,0 Raumteile Quarzsand (0-3 mm)
    • 1,0 Raumteile Quarzkiesel (3-7 mm)
    • 1,5 Raumteile Quarzkiesel (7-15 mm)
Mischungen bis Größtkorn 32 mm nach Wolfgang Knopp):
Mischungszusammensetzung mit Größtkorn 2 mm:
  • 1 Raumteil Zement
  • 2 Raumteile Sand (0/2)
Mischungszusammensetzung mit Größtkorn 8 mm:
  • 1 Raumteil Zement
  • 2 Raumteile Sand (0/2)
  • 0,3 Raumteile Kies (4/8)
  • 0,3 Raumteile Splitt (2/5)
Mischungszusammensetzung mit Größtkorn 8 mm (gröbere Oberfläche):
  • 1 Raumteil Zement
  • 1,3 Raumteile Sand (0/2)
  • 0,3 Raumteile Splitt (2/8)
Mischungszusammensetzung mit Größtkorn 16 mm:
  • 1 Raumteil Zement
  • 1,3 Raumteile Sand (0/2)
  • 0,7 Raumteile Kies (4/8)
  • 1 Raumteile Kies (8/16)
Mischungszusammensetzung mit Größtkorn 32 mm:
  • 1 Raumteil Zement
  • 1 Raumteil Sand (0/2)
  • 0,7 Raumteile Kies (4/8)
  • 0,7 Raumteile Kies (8/16)
  • 0,7 Raumteile Kies (16/32)

Bezugsquellen

  • Zement: Baustoffhandel, Baumarkt
  • Sand: Baustoffhandel, Baumarkt
  • Kies, Splitt: Kiesgrube, Baumarkt

Literatur

  • Hermann Leber „Plastisches Gestalten - Technische und künstlerische Grundlagen“, Dumont Taschenbücher, bei Amazon noch gebraucht erhältlich
  • Fehlhaber, Dress, Knopp „Beton und Kunst“, Beton-Verlag
  • H.-O. Lamprecht „Opus Caementitium - Bautechnik der Römer“, Beton-Verlag